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gelähmter Hund

Ein Beispiel an unserem Hund Phoenix (er ging am 14. September 2022 über die Regenbogenbrücke; Phönix war unser allererster Rollihund): 

Wer denkt, ein gelähmter Hund hat keine Lebensqualität mehr, der hätte unseren Phönix kennen lernen sollen (oder natürlich irgend ein anderer Rollihund von uns). Natürlich ist jeder Fall einzeln zu beurteilen, doch man darf auch nicht pauschal vorweg urteilen und denken, einen gelähmten Hund in einen Rollwagen zu stellen sei Tierquälerei. Nein! Phönix war das lebende Beispiel für einen gelähmten Hund, der eine riesige Lebensfreude und einen grossen Lebenswillen hatte! Er raste mit und ohne Rolli umher und war zu 100% Hund. Zuma, unser zweiter Rollihund, der leider auch bereits über die Regenbogenbrücke gegangen ist (er war nur ein Jahr bei uns und kam schon in einem ziemlich schlechten Zustand zu uns), war viel ruhiger als Phönix. Doch Zuma gewöhnte sich innert wenigen Minuten an seinen Rolli und genoss die gemütliche Ausflüge in grossen Zügen. 

Phönix - geht nicht, gibt's nicht:

Phönix wurde im Welpenalter angeschossen und war seither gelähmt. Das Projektil befand sich noch in seinem Rücken und konnte operativ nicht entfernt werden. Da er die Behinderung schon seit dem Kindesalter hatte, kannte Phönix das Leben praktisch nur als gelähmter Hund, was ihn jedoch nicht davon abhielt, mit den anderen Hunden zu spielen und ihnen nachzurennen etc. 

Rollwagen:

Phönix hatte auf den Spaziergängen einen Rollwagen, einen sogenannten Rolli, mit welchem er wirklich sehr, sehr schnell herumflitzte! Wenn er in der Ferne etwas sah, zB einen Feldhasen, dann kam es schon mal vor, dass wir nur noch eine Staubwolke sahen und Phönix schon längstens unterwegs war. Die anderen, nicht gelähmten Tiere waren zwar doch immer noch etwas schneller als Phönix, aber trotzdem hatte er ein wirklich hohes Tempo im Rolli. An Orten, wo Gefahren lauerten, zB in der Nähe von Strassen oder Gewässern (ja, Phönix liebte Wasser), war er immer an der Leine, dies zu seiner Sicherheit. Er durfte zwar bis zu den Knien ins Wasser, aber nie ohne Leine, es sei denn, es war wirklich nur ein sehr kleines Gewässerchen. Was sehr wichtig ist: ein Rollihund darf niemals unbeaufsichtigt im Rolli sein, denn es kann passieren, dass er bei Umhertollen oder Rennen kippt und der Hund sich dann nicht selbst aus der misslichen Lage befreien kann. Dies gilt auch bei Gewässern, auch wenn sie noch so klein sind: auch hier darf ein Rollihund nie unbeaufsichtigt sein! 

Was den Rolli generell anbelangt, so sind wir von der Marke Walkin' Pets aus den USA begeistert. Es ist das einzige Modell, das in der Höhe, Breite und Länge individuell verstellbar ist und man sehr rasch und praktisch zusammenklappen kann. Sehr angenehm ist zudem, dass jedes Einzelteil nachbestellt werden kann. Ausserdem dient dieser Rolli auch im Winter bei Schnee, denn die Räder kann man mit einem einfachen Klicken entfernen und Skis/Kufen anklicken (siehe Bilder oben). 

Zum Rolli sowie zu sämtlichen weiteren Gehhilfen und sonstigen Hilfsmittel können wir in der Schweiz Frau Sonja Tschudin von www.tierisch-anders.ch wärmstens empfehlen (siehe Rubrik "Hilfsmittel und Adressen); sie ist mit behinderten Hunden sehr erfahren und steht Euch mit Rat und Tat sehr gerne zur Seite.

Inkontinenz/Blasenmanagement:

Durch die Lähmung ab Rückenmitte nach hinten war Phönix kot- und urininkontinent. Anfangs, als er Ende April 2016 bei uns einzog (wir übernahmen ihn notfallmässig, da er nicht länger in seinem früheren Zuhause bleiben konnte), war das für uns schon gewöhnungsbedürftig, einem Hund Windeln anzuziehen. Wir informierten uns vorab im Internet und durchforsteten diverse Foren. Einige Erfahrungsberichte von anderen Menschen waren etwas beängstigend. So berichteten einige Halter gelähmter Hunde, sie seien anfangs total überfordert gewesen und am Anschlag gelaufen, seien nur noch am Putzen etc. gewesen, da die Windeln immer verrutscht seien und der Hund halt alles vollgepinkelt habe etc. Doch wir liessen uns nicht zu sehr beeinflussen ob diesen Erfahrungen. Schliesslich hatten wir uns ja nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, einen solchen Hund zu adoptieren. 

Nachdem wir einige Windelmodelle ausgetestet hatten, fanden wir die perfekten Windeln für Phönix und fanden auch seine ideale Windelgrösse heraus (er hatte bei einem Gewicht von 18kg die Grösse 6). Wir benutzen günstige Babywindeln aus dem Supermarkt und legten diese quer um den Bauch von Phönix, so wie eine Art Bauchgurt. Wenn sich Phönix sehr viel bewegte, dann zogen wir ihm darüber noch ein Stoffband mit Klettverschluss (zB bei Amazon erhältlich) um, so war gewährleistet, dass die Windel gut hielt und nicht verrutschte. Wenn die Windel gewechselt werden musste, mussten wir Phönix nur das Wort "Windolino" (ja, das haben wir ihm tatsächlich beigebracht) sagen, und schon legte er sich auf den nächsten Schlafplatz hin und wartete geduldig, bis wir ihm die alte Windel ausgezogen haben. Die neue Windel legten wir bereits darunter, denn manchmal passiert es, dass Phönix just in jenem Moment pinkelte, wenn die Windel gewechselt wurde. So fing die neue Windel den Urin gut auf und nichts ging daneben. Wir liessen dann Phönix Zeit, sich selbst zu "putzen". Wenn er fertig war, schaut er uns an und wir wussten, dass die neue Windel fertig angezogen werden konnte. So geschah das ungefähr 4-6 Mal am Tag. 

Phönix war zwar auch kotinkontinent, doch hier war es praktischer, ihm hinten keine geschlossene Windel anzuziehen. Der Kot lief etwa 2 Mal täglich kompakt hinten raus und man konnte das sehr gut putzen und reinigen. Wäre Phönix' Hintern mit einer Windel zu gewesen, so hätte er sich ja dann ins gemachte Geschäft gesetzt, und das wäre dann putztechnisch aufwändiger und unhygienischer für ihn gewesen. So blieb er hinten "offen", wie es übrigens auch viele andere Halter kotinkontinenter Hunde handhaben. 

Man gewöhnt sich rasch dran, überall, also auch im Haus, ständig mit Kotbeutel rumzulaufen. 

Weniger schön ist es natürlich, wenn ein gelähmter Hund mal Durchfall hat. Diesbezüglich brauchten wir einige Zeit um herauszufinden, welche Nahrung, vor allem welche Belohnungen und welche Knochen, Phönix am besten vertrug

ACHTUNG: Auch wenn man denkt, der Urin laufe aufgrund der Inkontinenz regelmässig komplett von alleine aus, sollte man immer (mehrmals täglich, mindestens aber alle 8h) unterstützend durch spezielle Massagen kontrollieren, ob nicht doch noch noch Resturin in der Blase ist, der manuell entleert werden muss. Jeder Tierarzt kann zeigen, wie man die Blase beim Hund manuell entleeren kann. Eine Blase, die nicht vollständig durch den Hund selber entleert werden kann resp. nicht manuell durch den Halter entleert wird, füllt sich bis hin zu einer sogenannten Überlaufblase, was wiederum zu Infektionen und sogar zu einem Rückstau in die Nieren führen und für den Hund lebensgefährlich werden kann! Daher ist das Blasenmanagement bei gelähmten Hunden immer sofort mit dem Tierarzt zu besprechen! 

Pfotenschutz:

Da Phönix auch ohne Rolli schnell unterwegs war und um seine Pfötchen vor Schürfungen zu schützen, trug er meistens Schühchen. Wir haben etliche Schühchen getestet und sind zum Schluss gekommen, dass es nur wenige Marken gibt, die einigermassen gut halten (Sabro Toffler, EQdog gehören unserer Erfahrung nach zu den besten). Was sich auch sehr bewährt hat, sind die "VIP Booties Rubber long" (beim Googlen genau so eingeben). Diese sind kostengünstig und aus sehr robustem, strapazierfähigem Stoff inkl. elastischem Klettverband oben. Es gibt auch die Variante mit einem gummierten unteren Teil der Söckchen als wasserdichte Option. 

Therapien:​

Da Phönix gewisse Körperpartien, v.a. die vorderen Beine, enorm beanspruchte, war es sehr wichtig, regelmässig zur Physiotherapie (und/oder Osteopathie; des weiteren können auch Akupunktur, Lasertherapie etc unterstützend helfen) zu gehen, um die Gliedmassen zu lockern, Blockaden zu lösen und Dehnübungen zu machen. Phönix mochte die Physio sehr gern und genoss es sichtlich, manchmal schlief er beinahe ein:-). Einige Übungen können auch selber zuhause durchgeführt werden. Der Therapeut oder die Therapeutin können zeigen, welche Übungen im Einzelfall sinnvoll sind. 

WICHTIG vor der Adoption:

Was bei einem gelähmten Hund - wie auch bei allen anderen Hunden mit Handicap - das Allerwichtigste ist: 

ADOPTIERT EINEN SOLCHEN HUND NICHT AUS REINEM MITLEID! Mitgefühl zu haben ist ein Muss, aber Mitleid nützt dem Hund nichts. Die Adoption eines behinderten Hundes muss sehr gründlich überlegt sein, da ein solcher Hund mehr Arbeit gibt als die Pflege eines komplett gesunden Hundes. Wenn Ihr aber die Adoption eines solchen Tieres gründlich überlegt habt und immer noch der Meinung seid, ein solches Tier aufnehmen zu wollen, dann gratulieren wir Euch zu diesem Schritt! Ihr werdet sehen, mit Geduld und etwas Übung wird auch das Windeln wechseln etc. bald zur Routineübung.

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